Herausforderung angenommen!

Autor: Hannes Denzel


D.S.H. Modell 4 Villiers 350 Mk VIIIb Baujahr 1927

Die Corona-Pandemie hat 2020/21 die meisten Oldtimerveranstaltungen verhindert, Treffen und Ausfahrten ebenso wie Teilemärkte, Messen, Clubabende. Sogar die Museen mussten lange Zeit geschlossen bleiben. Es gibt aber auch positive Aspekte. In den Werkstätten und Kellern wird gezangelt wie noch nie zuvor. Und so entstehen aus lange Zeit in versteckten Ecken gelagerten Rostruinen fast im Akkord wieder fahrbereite Oldtimer, werden Scheunenfunde wiederbelebt, Restaurationsvorhaben abgeschlossen und langjährige Projekte endlich vollendet – so wie in der folgenden Geschichte.

Welcher Oldtimersammler träumt nicht vom „Scheunenfund“ – wobei jeder etwas anderes in der ominösen Scheune zu finden hofft: der eine die Rennmaschine mit Geschichte, damals in Pension geschickt, weil nicht mehr konkurrenzfähig – der andere das absolute, damals für kaum jemanden leistbare Luxusmodell, das im versteckten Schuppen oder Keller vor Ausbruch des Krieges in Sicherheit gebracht wurde – der dritte gar den Prototypen, der nie in Serie gebaut und vom Hersteller aufgegeben, vergessen und weggestellt wurde.

Egal welche Variante die Fantasie beflügelt, die meisten denken dabei an ein komplett erhaltenes Motorrad, bei dem alle Teile vorhanden sind – das auf seinen Rädern (womöglich noch mit Luft drin) in einer Ecke lehnt, zugedeckt mit einer Decke. Diese entfernen, das Fahrzeug ans Licht bringen, von der zentimeterdicken Staubschicht befreien, einölen, eine Motorrevision, und schon in der nächsten Saison ist man damit der Star bei jedem Oldtimertreffen. Eine schöne, aber romantische Vorstellung.

Zugegeben, das kommt auch vor, aber leider nur ganz, ganz selten – es ist eben eine Fantasie, und die Realität schaut meistens anders aus. Rennmaschinen wurden meistens völlig zerschlissen und nach Ablauf des aktiven Einsatzes als Teileträger für Umbauten verwendet. Luxusmotorräder waren damals schon so rar, dass sie im Straßenverkehr kaum anzutreffen waren, und Prototypen wurden meist vom Hersteller vernichtet.

Was man aber manchmal finden kann, sind die Alltagsmotorräder der 1920er- und 1930er-Jahre. Die Zweitakter, mit kleinen Hubräumen von 98 bis 350 ccm. Aber auch die sind selten komplett. Entweder sind nur die Fahrgestelle über geblieben, weil der Motor einer anderen Aufgabe zugeführt wurde, oder die Laufräder bekamen oft die Chance auf eine zweite Karriere als Basis für Handwagerl und Anhänger, und die Verwendungsmöglichkeiten für die Blech- und Kleinteile sind sonder Zahl. Viele, die zu (Nach-)Kriegszeiten ihr geliebtes Alltagsmotorrad vor der Einziehung in den „Dienst fürs Vaterland“ oder der Requirierung durch die Besatzer retten wollten, waren so schlau, das Moped zu zerlegen und die Teile verstreut zu verstecken, oder sie haben es überhaupt gleich eingegraben, was gar nicht so selten vorkam, wie man glaubt.

Manches kam und kommt noch immer wieder ans Tageslicht. So auch diese D.S.H., die Thomas Pesendorfer Teilesammlung zusammen mit einer LAG in ähnlichem Zustand ausheben konnte. Das hört sich übel an, aber die Basis für eine Wiederauferstehung war gar nicht so hoffnungslos: Rahmen, Gabel, die Kotbleche, der Tank (mit noch lesbarer DSH-Aufschrift) und das Vorderrad haben vermutlich schon immer zusammengehört, das zweite Rad dürfte aber ein Kuckuck in diesem Stahlnest gewesen sein. Motoren waren gleich zwei vorhanden, dafür fehlten Vergaser, Getriebe, der Lenker und alle Anbauteile.

Bevor Thomas sich daran machte, die fehlenden Teile aufzustöbern (ein passendes Burman-Getriebe hat sich schon gefunden), galt es zuerst einmal zu recherchieren, um welchen Typ es sich bei der D.S.H. überhaupt handelt. Die 175er D.S.H. aus 1925 hat zwar einen optisch ähnlichen Villiers-Motor, unterscheidet sich aber sonst in vielen Details. Villiers-Motoren wurden bei D.S.H. bis 1928 verbaut und zwar in Hubräumen von 175, 250 und 350 ccm. Ohne den Motor auszulitern oder anhand der Nummer den Typ festzustellen, kann man aus dem Bauch heraus vermuten, dass es sich um eine 250er aus 1927 oder ’28 handelt. Das festzustellen ist aber die Aufgabe ihres Besitzers; wir interessieren uns erst wieder dafür, wenn das Motorrad fertiggestellt ist.

So wird über die Teilesammlung im Jahr 2015 im Buch „Regenten, Giganten, Titanen & Co – Österreichische Motorradraritäten der Vorkriegszeit“ (www.hollinek.at) berichtet, seither sind sieben Jahre vergangen. Sieben Jahre, in denen es Thomas tatsächlich gelungen ist, alle benötigten Teile aufzutreiben, daraus wieder ein fahrbereites, zugelassenes und vor allem vorzeigbares Motorrad zu basteln, sie nach Muster unter dem Rost noch vorhandener Farbreste zu lackieren, wobei er nicht den kleineren, sondern den hubraumstärkeren 350er-Motor eingebaut hat. Und damit hat das ehemalige Motorradpuzzle jetzt auch einen Namen: D.S.H. Modell 4 Villiers 350 Mk VIIIb – Baujahr 1927, Wiedergeburt: im Coronajahr 2020. Und wer glaubt, dass D.S.H. für die Gründer der Trautmannsdorfer Fahrzeuggesellschaft Franz Döller, Ignaz Seidel und Ing. Hans Theodor Hauler steht, den kann Thomas zwinkernd eines Besseren belehren: für manche stand das Kürzel seinerzeit nämlich für „Der Schnelle Hund“ …

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