Le Mans 1971

Autor: Christian Sandler


Am 12./13. Juni 1971 gewannen Dr. Helmut Marko und Gijs van Lennep mit dem legendären Porsche 917 den 24-Stunden-Klassiker von Le Mans.

Für viele Menschen ist die Stadt Le Mans

Hauptstadt des Départements Sarthe in der Region Pays de la Loire, durch die riesige gotische Kathedrale ein Begriff. Automobilisti und Rennsportbegeisterte verbinden diese Stadt aber immer mit dem berühmten 24-Stunden-Rennen oder wie der Franzose sagt den „vingt-quatre heures du Mans“. Das motorsportliche Le Mans war seit jeher geprägt durch Duelle wie Bugatti vs. Mercedes, Ferrari vs. Ford, Jaguar vs. Aston Martin oder Porsche gegen Ford. Die Siege der 1960er-Jahre teilten sich die Marken Ford und Ferrari. Die FIA/CSI legte im Oktober 1967 neue Hubraumobergrenzen für die Markenweltmeisterschaft der Jahre 1968–1971 fest: Prototypen maximal 3 Liter und homologierte Sportwagen maximal 5 Liter, statt 50 zu produzierende Fahrzeuge setzte man diese Zahl auf 25 herunter. Porsche sah im Sportwagenreglement die Möglichkeit, vom David zum Goliath aufzusteigen und endlich in Le Mans zu gewinnen. Porsche und Ferrari stellten in Rekordzeit zwei der faszinierendsten Rennwagen auf die Räder. Bei Porsche war dies der 917er und bei Ferrari der 512er. 1969 scheiterten beide noch an den robusten und ausgereiften Ford GT40 in Le Mans. Aber 1970 ging die Saat auf, die 1968/1969 in Weissach gesät wurde. Die Zuffenhausener beauftragen John Wyers legendäres Gulf-Team mit den Einsätzen. Porsche-Salzburg fungierte quasi als Semi-Werksteam. Die 917 fuhren alles in Grund und Boden, siegten unter anderem in Le Mans und gewannen auch die Markenweltmeisterschaft. Die Roten aus Maranello waren immer gefährlich, konnten aber nur ein Rennen gewinnen.

Ende der Saison 1970 zog sich Porsche-Salzburg aus dem Rennsport zurück und Hans Dieter Dechent übernahm als „Martini International“ das Team samt Rennwagen und den meisten Fahrerverträgen. 1971 ging es in der gleichen Tonart weiter. Ferrari strauchelte, dafür wurde Alfa Romeo zum Hauptgegner. Dreimal (Brands Hatch, Targa Florio, Watkins Glen) siegte Alfa in der Saison 1971 mit Boliden, deren Motoren schon für das Regelwerk ab 1972 ausgerichtet waren. In Buenos Aires, Daytona, Monza, Spa und Zeltweg überquerten jeweils die 917er von Wyer als erste den Zielstrich. Martini siegte mit dem 917 in Sebring und Le Mans, weiters auch mit dem 908/03 am Nürburgring. Im Team von Martini mischten sporadisch auch zwei Österreicher mit, Rudi Lins und Dr. Helmut Marko. Die beiden teilten sich in Daytona das Cockpit eines Porsche 917. Marko hatte in der Steilwand bei Höchstgeschwindigkeit einen Reifenplatzer und zerlegte dabei den Wagen fachgerecht. Auch in Buenos Aires, Monza, Spa und Zeltweg brachte der Martini 917 Marko kein Glück.

Schon beim Vortest in Le Mans, 17./18. April, setzten die Renner aus Zuffenhausen die Maßstäbe. Bei Porsche ging es in erster Linie um die Unterschiede der Karosserie-Varianten Langheck oder Kurzheck. Porsche präsentierte der Öffentlichkeit auch erstmals den Typ 917/20. Der Wagen war schneeweiß, mit 2,2 Meter extrem breit und wurde daher von den Mechanikern „Dicke Bertha“ getauft. Für das Design war der Aerodynamik-Pionier Charles Deutsch, welcher die Firma Société d’Etudes et de Réalisations Automobiles leitete, kurz SERA, verantwortlich. Während bei diesen Tests sowohl die „langen“ und auch die „kurzen“ zur vollsten Zufriedenheit liefen, bereitete der „breite“ mit dem Geradeauslauf bei Höchstgeschwindigkeit etwas Sorgen. Positiv waren dafür die Geschwindigkeiten in den schnellen Kurven, die etwas höher waren, als die der LH und KH. Porsches De-signchef Anatole Lapine war mit dem Gesamtkonzept des Wagens nicht ganz zufrieden. „Irgendwie erinnert mich der Bug des Wagens an ein Hausschwein“, war so eine der abfälligen Bemerkungen von Lapine. Dieser Bolide ging später als „Schweinchen Rosa“ oder „Sau“ in die Geschichte ein. Die Zeiten beim Vortest hatten für das Rennen keine Relevanz.

Für den Saisonhöhepunkt in Le Mans waren ursprünglich 86 Nennungen beim ACO eingelangt, davon wurden 53 für das Rennen zugelassen, 49 schafften es in die Startaufstellung. Noch etwas für Statistiker: 33 Fahrzeuge kamen aus dem Hause Porsche, 10 von Ferrari, 2 Lola und 2 Chevy Corvette waren ebenfalls am Start. Besonders für die Franzosen interessant – 1 Ligier und 1 Matra. Für den Gesamtsieg kamen eigentlich nur die Porsche 917 und die Ferrari 512 in Frage. Wobei Ferrari werksseitig gar nicht dabei war und nur Unterstützung der Kundenteams für die 512er anbot. Die „Roten“ aus Maranello waren daher nicht so rot wie sonst und der schönste „Rote“ war blau – der Sunoco Ferrari von Roger Penske. Beim Konkurrenten aus Deutschland standen sich der private Zitro-917, drei Martini 917 und drei Gulf 917 gegenüber. Die Gretchenfrage lautete: Mineralöl oder Aperitif? Aus rot-weiß-roter Sicht griff Dr. Helmut Marko für Martini Porsche ins Lenkrad und erstmals war in Le Mans ein „Dreier Team“ am Start. Der Österreicher Günther Huber teilte sich mit Erwin Kremer und Nicolas Koob einen Porsche 911S in der GT-Klasse. Marko und Huber waren beim Vortest nicht dabei.


 

Eine Woche vor Le Mans fand in Silverstone ein Lauf der 2-Liter-Sport-Prototypen-EM statt, jene Meisterschaft, die Marko 1971 gewann. Für den Steirer lief es nicht nach Wunsch, Platz zwei in Lauf eins und DNF in Lauf zwei. Tags darauf flog Marko nach Düsseldorf, stieg in seinen Ford Capri und brauste via Brüssel und Paris nach Le Mans, damals eine halbe Weltreise, die fast neun Stunden dauerte. Martini hatte für seine Mannschaft in der Nähe der Rennstrecke ein altes Schloss gemietet, leider hatte Marko die Wegbeschreibung falsch interpretiert und landete in einem völlig fremden Anwesen. Die verdutzten Besitzer gewährten ihm trotzdem Einlass. Dienstags war wie immer vor dem großen Rennen am Hauptplatz die Fahrzeugabnahme, wo Marko auch zum Rest der Martini-Mannschaft stieß. Marko hatte durch seine irrtümliche „Hausbesetzung“ natürlich die Lacher der Teamkollegen auf seiner Seite. Danach begab sich der komplette Porsche-Tross nach Teloché, etwa 5 km südlich von Mulsanne. Eine unscheinbare Werkstatt, in der Porsche seit den 1950er-Jahren das Hauptquartier aufschlug. Der Garagenbesitzer Georges Després vermietete dem Porsche-Team über Jahrzehnte hinweg einen Teil seiner Werkstatt. Für die Zuffenhausener war Teloché wegen seiner Lage ideal: Die Überführung der Autos zur Rennstrecke konnte auf eigener Achse erfolgen, eine umständliche Verladung auf Anhänger oder Transporter war überflüssig. Zudem existierte damals am Ende der Hunaudières-Geraden, beim Golfplatz, eine Art Hintereingang zur Rennstrecke, sodass die stauträchtige Hauptzufahrt gemieden werden konnte. Dort wurden nicht nur die Rennwagen vorbereitet, sondern auch die Fahrerbesprechungen abgehalten oder Sollzeiten besprochen. Auf engstem Raum, wo sonst 2CV betreut wurden, warteten nun sechs der schnellsten Rennwagen des Jahres 1971 auf ihren Service. John Wyer parkte dort zwei 917 Langheck für Rodriguez/Oliver und Siffert/Bell, sowie den kurzen für Attwood/Müller – alle drei in den berühmten Farben kachelblau und orange. Bei Martini war es etwas komplizierter. Der Langheck, silber mit den blau/roten Martini-Streifen, war für Elford/Larrousse, das Kurzheck für Marko/Lennep bestimmt. Dieser Rennwagen hatte einen extra leichten Magnesiumrahmen, er war weiß und mit den üblichen Martini-Streifen lackiert. Dieser Rahmen war mit der gleichen Farbe wie die Alurahmen lackiert und eines der am besten gehüteten Geheimnisse der Rennabteilung – nicht einmal die beiden Fahrer wussten darüber Bescheid. Um dieses untergewichtige Auto (766 kg) auf das erforderliche Mindestgewicht von 800 kg zu bringen, wurden Zusatzgewichte angebracht und der Öltank vergrößert. Fehlt noch die Startnummer 23 für Jöst und Kauhsen. Anatole Lapine hatte sich für den „extra Breiten“ etwas ganz Besonderes einfallen lassen; er ließ den Boliden rosa lackieren, inklusive Zerlegemuster eines Hausschweins. Der „Trüffel-Jäger aus Zuffenhausen“ war geboren. Die berühmten Bezeichnungen wie „Schwanz, Ohrlappen oder Rüssel“ wurden aber erst in Le Mans angebracht. Nur Graf Rossi, dem Chef von Sponsor Martini, hat das gar nicht gefallen, er verbat den Werbesponsor am Auto. Es war dann das am meisten fotografierte Fahrzeug. Sämtliche 917er traten mit dem bewährten 4,9-Liter-Motor an.

Erste Trainings

Am Mittwoch, den 9. Juni fand das erste Training, von 18 bis 23 Uhr statt. Tags darauf dann die zweite Session, von 18 bis 22 Uhr. Wie zu erwarten, setzten die Langheckwagen die Maßstäbe, der schnellste wurde mit 386 km/h auf der – damals noch nicht durch Schikanen entschärften – Les Hunaudières gemessen. Fast 400 Stundenkilometer auf einem öffentlichen Straßenstück, auf dem den Rest des Jahres der Individualverkehr rollt – schwer vorstellbar. Dieses berühmte Straßenstück ist ein Teil der D338 von Le Mans in Richtung Süden nach Tours (hieß 1971 aber noch N158); es hatte 1971 auch noch keine Schikanen und war fast 6 km lang. Das Tückische an diesem zwar geraden, aber sehr unebenen Streckenabschnitt waren die manchmal sehr starken Seitenwinde. Marko orientierte sich an den zahlreichen Werbefahnen entlang der Geraden, so wusste er ganz genau, in welche Richtung er bei Bedarf gegensteuern musste.

Die Langen waren auf der Geraden etwa um 30 km/h schneller als die Kurzen, dafür konnte man in Mulsanne und Arnage etwas schonender um die Ecken biegen. Die beiden Trainings verliefen ohne gröbere Zwischenfälle. Einzig Siffert hatte in Maison Blanche eine Schrecksekunde, Dreher bei 250 km/h, ohne anzuschlagen und das an der gefährlichsten Stelle des Kurses. Schnellster im Training war Pedro Rodriguez mit einem Rundenschnitt von 250,07 km/h. Marko stellte den 917er auf Startplatz 5, Günther Huber war schnellster im Porsche 911S mit der Nr. 26 und erreichte damit Rang 35 in der Startaufstellung.

Am Freitag war kein Training. Die Fahrer und Teammitglieder hatten gesellschaftliche Verpflichtungen. Der Porsche Club Frankreich lud ein und reichte die Fahrer von einem Promi zum anderen. Abends wurde dann die Marschroute für den Renntag festgelegt. Im Klartext hieß das, Trainingszeit plus 5 Sekunden, möglichst keine Feindberührung, früher schalten oder bremsen, höchstens 8000 auf der Geraden. Fahrerwechsel nach jedem zweiten Turn, also zweimal ca. 15 Runden (getankt wurde bei jedem Turn) – soweit die Theorie.

12. Juni – Renntag

Treffpunkt für die Martini- und Gulf-Leute war um 7 Uhr in Teloché zur letzten Einsatzbesprechung. Alle wichtigen aus der Rennabteilung von Zuffenhausen wie Piëch, Bott, Lapine, Bischof, Schäffer waren nach Frankreich gereist. Marko wurde in Wagen Nr. 22 für den Startturn auserkoren. Also musste der Grazer den 917 selbst von der Garage in Teloché zum Startplatz bringen. Alles war wie sonst in Le Mans, das babylonische Sprachgewirr, die Blasmusik, die Flics mit ihren ovalen Kappen, nur der Start war 1971 anders, erstmals nahmen die Fahrer nicht Aufstellung gegenüber ihrer Rennwagen, um beim Fallen der Tricolore in Richtung ihrer Boliden zu sprinten. Diesmal gab es zuerst eine Aufwärmrunde mit einem darauffolgenden fliegenden Start wie in Indianapolis. Um Punkt 16 Uhr, bei strahlendem Sonnenschein, begann die Hatz für die nächsten 1440 Minuten. Rodriguez übernahm ihn gewohnter Manier die Führung vor Elford, Siffert, Donohue, Vaccarella und Marko. Das Feld verschwand unter Getöse hinter dem Dunlopbogen, pfeilte durch die „Esses“ und „Tertre Rouge“ und begab sich das erste Mal zwischen die Föhrenwälder der Hunaudières. Die Langhecks bestimmten das Tempo und nach drei Runden standen die ersten Überrundungen an. Rodriguez, Siffert, Elford, Donohue führten nach der ersten Stunde. Marko lieferte sich ein rundenlanges Duell mit Attwood um Platz 7. Nach knapp zwei Stunden standen die ersten Fahrerwechsel an und Marko übergab an Lennep. Während vorne die Langhecks weiter das Rennen bestimmten, begann heimlich das Sterben der Ferraris. Zwischen 19:30 und 20:30 Uhr wurden gleich drei der 512er mit Motorschaden abgestellt. Auch Marko/Lennep wurden nicht verschont. Der Keilriemen der vorderen Lichtmaschine war, mit Marko am Steuer, gerissen. Die Reparatur nahm 10 Minuten in Anspruch. Dies war der erste von zwei außerplanmäßigen Stopps des Wagens mit der Nummer 22. Kurze Zeit später verabschiedete sich, mit Lennep am Lenkrad, derselbe Riemen erneut. Porsches Strategen beschlossen daraufhin, den Riemen nicht mehr zu erneuern, da Öldruck und Temperatur sich im grünen Bereich befanden. Einziger Nachteil war ein etwas schwächeres Licht.

Um 21:12 Uhr dann auch der erste Ausfall bei Porsche, Motorschaden bei Elford/Larrousse. Langsam setzte die Dämmerung ein, in Le Mans wird es um diese Jahreszeit erst um ca. 23 Uhr finster. Um Mitternacht führten Rodriguez/Oliver vor Attwood/Müller, Jöst/ Kauhsen und dem ersten Ferrari von Juncadella/Vaccarella. Siffert/Bell hatten einen längeren Stopp und fielen auf Rang 14 zurück. Marko/Lennep, zwischenzeitlich auf Rang 9 abgefallen, kämpften sich wieder auf Platz 5 vor. Günter Huber und seine Mannschaft fuhren um diese Zeit auf Platz 21. Nach Mitternacht wurden die schnellsten Zeiten dieses Rennen gefahren, Siffert und Rodriguez jagten ihre Porsches in 3.20 durch die Nacht – Schnitt 242 km/h. Da es naturgemäß in der Nacht kälter ist, hat die Luft mehr Sauerstoffgehalt, daher mehr Leistung. Aber es braucht auch dazu den Mut der Piloten. Gegen 3 Uhr Morgens hatten auch die führenden Gulf-Porsches ihre Probleme und mussten für mehrere Runden an die Boxen. So kam es, dass plötzlich ein Ferrari führte, Juncadella/Vaccarella lagen vor Marko/Lennep und dem infernalisch lauten Matra, der die einheimischen Fans entzückte. Nach 184 Runden, um 3:19 Uhr verunfallte Jöst beim Anbremsen zur Arnage und schlachtete dabei das „Schweinchen Rosa“. Bei Halbzeit, zur blauen Stunde, um 4 Uhr in der Früh übernahm Marko wieder den Wagen, allerdings mit gröberen Schaltproblemen, die Synchronisation des dritten Ganges hat sich verabschiedet. Um halb 5 Uhr am Morgen, als dichte Nebelschwaden die Strecke einhüllten und die Sonne sich langsam über den Horizont hob, schied der führende Ferrari aus. Plötzlich übernahm Marko die Führung vor dem französischen Nationalrennwagen. Kurz darauf fiel auch der Langheck von Rodriguez/Oliver aus. Das Klassement morgens um 5 sah wie folgt aus: Marko/Lennep führten (215 Runden) vor Amon/Beltoise (210 Runden), Attwood/Müller (208 Runden) und Posey/Adamowicz (203 Runden).

Beim Führenden stellte auch die Synchronisation des vierten Ganges die Arbeit ein. Das Schalten wurde zur Tortur, zweimal kuppeln, langsam schalten und dabei das Lenkrad ungewöhnlich lange verkrampft mit einer Hand halten, und das bei Renntempo. Lennep beschädigte bei einem Überholmanöver um halb sechs die linke Frontpartie, was zum zweiten kurzen Extrastopp führte. Mittlerweile lag Günther Huber mit seiner Mannschaft auf Rang zwei in der GT-Klasse und auf dem beachtlichen Gesamtrang sieben. Aber eine Getriebereparatur von 8:30 bis 9:00 Uhr und das Auswechseln des Sperrdifferenzials von 9:30 bis 10:30 Uhr kosteten wertvolle Plätze. Die Uhr zeigte 8:43, als Siffert/Bell durch einen Riss im Motorblock ausschieden. Eine Stunde später erwischte es den zweitplatzierten Matra. Am frühen Vormittag stellten auch der Zitro-917 und die 512M von de Fierlant/de Cadenet sowie Manfredini/Gagliardi die Arbeit ein. Nach der 18. Stunde, um 10 Uhr am Vormittag hatten Gulf und Martini noch je einen Wagen übrig. Aus der Armada der neun 512 und der sieben 917 blieben zwei und es standen noch 100 Runden an. Marko/Lennep führten mit 4 Runden Vorsprung auf Attwood/Müller, 16 Runden hinter den Führenden lagen Posey/Adamowicz auf Rang drei. Craft/Weir hatten als vierte, 6 Stunden vor Schluss, gar 38 Runden verloren.

Wyer hatte 1970 den Le Mans-Sieg knapp verpasst, das sollte 1971 nicht wieder passieren. Also musste man das Tempo erhöhen. Jetzt kamen die Strategen der Teams zum Zug. Die Gulf-Mannschaft wusste von den Schaltproblemen des Führenden 917. Mittlerweile gaben auch die Synchronringe des fünften Ganges bei der Nr. 22 den Geist auf, auch von den Schwierigkeiten mit den gelochten Bremsscheiben wussten sie Bescheid. Also sollten Attwood/Müller die Schlagzahl erhöhen. Es wurden Sollzeiten festgelegt, 3:25 bei Wyer und 3:30 bei Martini. Aber um den Führenden zu erwischen, wären 8 bis 9 Sekunden Differenz pro Runden nötig gewesen – praktisch unmöglich. Wurde der Gulf- Porsche schneller, legte auch der Martini-Porsche wieder einen Zahn zu. So waren eigentlich in den letzten Stunden die Plätze bezogen. Attwood/Müller konnten den Rückstand zwar noch mit viel Risiko bis zum Ende halbieren.


 

Die Uhr zeigte 14:29, als Müller Attwood zum Finalsprint ablöste, zwei Minuten später übernahm Marko das Cockpit von Lennep. Nichts mehr riskieren, Platz halten und das waidwunde Getriebe sanft mit den steifen Händen schalten. Um 15:15 Uhr war der letzte Tankstopp angesagt, nochmals 95 Liter in einer halben Minute. Um 15:30 Uhr tauchte in Markos Rückspiegel Müller auf und die beiden flogen im Paarlauf die letzten Runden um die Strecke. 15 Minuten vor Ende der mörderischen Schlacht noch ein kurzer Regenschauer zwischen Mulsanne und Arnage. Interessanterweise liefen über die offiziellen Lautsprecher des ACO in den letzten Minuten des Rennens nur mehr der Kaiserwalzer und der Donauwalzer abwechslungsweise, Marko hatte das aber leider im Cockpit nicht mitbekommen, sonst wäre der Gänsehautfaktor bei ihm noch größer gewesen. Um 16 Uhr war es geschafft, das Duo Marko/Lennep gewann mit zwei Runden Vorsprung vor Müller/Attwood. Die Sieger stellten in 24 Stunden einen neuen Distanzrekord auf und legten eine Strecke von 5335 Kilometer zurück, Schnitt 222 km/h. Das entspricht etwa der Entfernung von Le Mans nach der iranischen Hauptstadt Teheran. Ein Rekord, der eine halbe Ewigkeit hielt, erst 2010 legte der siegreiche Audi R15 TDI mehr Kilometer in Le Mans zurück. 2511 Liter Benzin verbrauchte der Siegerwagen in diesen 24 Stunden und verbrachte dabei nur 40 Minuten in den Boxen. Fahrerwechsel, tanken, Wechsel der Bremsbelege und Reifen, alles miteingerechnet. Marko war im Team der Schnellere und fuhr dabei mit insgesamt 14 Stunden Fahrzeit auch den Löwenanteil in der Nummer 22.

Das Zuffenhausener Imperium degradierte wieder einmal die italienische Edelschmiede. Auf Rang drei fuhr das Tandem Posey/Adamowicz und auf den vierten Platz Craft/Weir in ihren Ferrari 512M durch das Ziel.

Beachtlich, nicht nur aus österreichischer Sicht, war das Abschneiden von Günter Huber mit seiner Mannschaft, sie erreichten immerhin Platz 10 in der Gesamtwertung. Vor dem Büro des ACO, direkt bei Start und Ziel umringt von dutzenden Reportern, gab es die verdiente Champagner-Dusche samt Pokal und Blumenstrauß, die die beiden nur mit Mühe halten konnten. Während sich Marko für die feierliche Ehrung am Abend vorbereitete, wurde ihm noch von einem Fan der Overall gestohlen, der bis heute noch immer „verschollen“ ist.

Die offizielle Zeremonie im „Hotel de Ville“, bei der nicht nur die Gesamtsieger, sondern auch die Gewinner der Indexwertung und der Gruppensieger der GT-Klasse, Günter Huber mit seiner Crew, geehrt wurden, war natürlich eine sehr ehrenvolle und elegante Veranstaltung, die bis in die Morgenstunden dauerte.

Nach Jochen Rindt (1965) und Dr. Helmut Marko (1971) setzte Alexander Wurz (1996, 2009) die Tradition der Österreichischen Gesamtsieger in Le Mans fort.

Text: Christian Sandler
Photos: Porsche Werksarchiv, Christian Sandler
 

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