Der Taxler und sein blauer Mercedes

Autor: Ernst Krispl


Ein Mensch, ein Automobil – 52 Jahre lang auf den Lebensadern einer Großstadt als Taxi unterwegs

Wenn es zu regnen begann, fuhr Herr Strobl in die Garage. Immer glänzend stand sein Wagen am Standplatz, um Fahrgäste auf dem kürzesten Weg an ihr Ziel zu bringen, sind die Worte in Kürze über das Wiener Original Josef Strobl und der Liebe seines Lebens.

Im Jahr 1963 begann er per Zufall als Aushilfstaxilenker, 1967 gründete er mit einem heruntergekommenen Opel Rekord R3 sein eigenes Taxiunternehmen. Ein Jahr später 1968 kam ein neues Modell bei Mercedes heraus; als er ihn das erste mal auf der Straße sah, war es um ihn geschehen. „Den kaufe ich mir!“, dachte sich Josef Strobl. Er war einer der ersten, der mit einem neuen Mercedes /8 am Standplatz stand. Nach sechs Jahren tauschte er ihn gegen den modifizierten /8 ein. Mercedes Benz bot 1974 eine Abholaktion mit Werksbesichtigung und Galaabend an. Herr Strobl fuhr mit dem Zug nach Stuttgart und mit dem neuen Wagen mit Zollnummer und auf eigener Achse nach Wien. Danach sollte die beiden nichts mehr trennen. Bald merkte er, keiner von den neuen Modellen von Mercedes gefiel ihm so gut, wie seine große Liebe der /8 und so blieb er bei seinem Mercedes, den er immer mehr schonte. Wenn Regenwolken aufzogen, verabschiedete er sich am Standplatz von seinen Kollegen und meinte: „Es beginnt gleich zu regen, ich fahre in die Garage!“ Winterbetrieb war so gut wie verboten für ihn: „Der Streusplitt und das Salz machen die Autos nur kaputt!,“ meinte er. Stets korrekt und höflich zu allen Fahrgästen, ob prominent oder nicht. Unzählige prominente Fahrgäste aus allen Bereichen chauffierte er mit seinem Kult-Taxi. „Für mich sind alle Fahrgäste gleich!,“ meinte er, dennoch freute er sich, wenn sich mit einem Promi ein persönliches Gespräch ergab. Die Verordnung 2013, eine Klimaanlage nachrüsten zu müssen, konnte ihm nichts anhaben. Ein Anwalt befasste den Verfassungsgerichtshof damit, der entschied, dass das Nachrüsten gesetzlich nicht notwendig ist. Seit 2015 hat der heute 90-Jährige den Gewerbeschein zurückgelegt, der zunehmende Stadtverkehr und ein neuer Taxameter beendeten seine Leidenschaft. Nun fahren wir seinen Liebling nur mehr an Wochenenden bei sonnigem Wetter, wenn wenig Verkehr ist, damit er bewegt wird. Ich lernte Josef Strobl 1997 am Standplatz Schottentor kennen, als ich aushilfsweise Taxi fuhr. Durch unser gemeinsames Hobby Oldtimer entwickelte sich eine herzliche Freundschaft, wodurch auch unser Buch entstand, das ich über ihn und seine vielen Geschichten schrieb. Wenn er jemanden eine seiner Geschichten erzählte, meinten die Leute: „Sie sollten ein Buch schreiben.“ Eines Tages meinte er zu mir: „Schreib doch du das Buch über mich!“ Nun ist es seit Dezember 2020 veröffentlicht und wir bewerben es auf Oldtimer-Veranstaltungen, wie der Classic Expo Salzburg 2021, wo Josef Strobl drei Messe-Tage mit je neun Stunden am Messestand mit seinen 90 Jahren einfach so wegsteckte. Es macht ihm große Freude, das Buch zu signieren und den Leuten zu erzählen, wie zum Beispiel eine Geschichte, die nicht im Buch steht.

Dreimal hatte man ihm zuletzt den Mercedes-Stern abgebrochen, beim dritten Mal zerkratzte man ihm sogar die Motorhaube, was ihn so wütend machte, dass er sich die Kühlermaske im Winter ausbaute und daheim genau ansah. Er fand eine Möglichkeit, den Stern mit der Hupe zu verbinden, um so lästige Sternenjäger beim Berühren des Mercedes-Sterns abzuschrecken. Dafür baute er verstärkte Signalhörner ein, damit die Lausbuben auch richtig erschrecken, wenn sie wieder einen Stern an seinem Taxi abbrechen wollten. Seitdem ist der Stern drauf geblieben. Die spannendsten Geschichten einer „Wiener Taxi-Legende“ lesen Sie in diesem Buch „Der Taxler und sein blauer Mercedes.“

Nettes und weniger Nettes, manchmal auch blutig, hier eine seiner Lieblingsgeschichten aus dem Buch.

Der Student Entmutigt und entkräftet sank sein Blick zu Boden. „Was machst du eigentlich hier, bist du verrückt?“, mit diesem Gedanken war er dem Aufgeben nahe. Viele seiner Kollegen hätten mit der Ausforschung eines zahlungsunwilligen Kunden überhaupt nicht begonnen. Er stand im Stiegenhaus des Hauses, wo er zuvor die junge Dame aussteigen hatte lassen. Der junge Mann wohnte nach dessen Angaben an einer anderen Adresse, dort sollte die Fahrt hinführen. Doch damit Sie die langwierige Geschichte auch verstehen können, muss ich am Anfang beginnen.

 

Es war der 5. Dezember in den 60er-Jahren, etwa 17.30 Uhr abends, als am Petersplatz ein junges Pärchen einstieg. Damals war der Dezember ein Monat, in dem man den doppelten Umsatz machen konnte. Das Taxigeschäft vor Weihnachten bis Silvester ging unerhört gut, und man fuhr fast pausenlos. Pepi hingegen hatte an diesem 5. Dezember seit eineinhalb Stunden und einigen Kilometern nur Spesen. Ein Student, wie sich später herausstellte, ließ sich mit einer jungen Dame nach Hause bringen. Sie stieg im 9. Bezirk in der Lustkandlgasse aus, der Student wollte weiterfahren, er gab als Fahrtziel Grinzing an, änderte aber seinen Wunsch nach kurzer Zeit und bat Pepi, einen Umweg über den 8. Bezirk zu machen, er hätte dort etwas vergessen, stieg in der Nedergasse aus dem Taxi und dachte, damit wäre die Sache für ihn erledigt. Allerdings machte er die Rechnung ohne den Wirten. Josef Strobl sah nicht ein, auf seinen Fuhrlohn verzichten zu müssen, ohne etwas dagegen zu unternehmen. Der junge Herr ließ sich also weiterführen und meinte am Ziel angekommen, er käme gleich wieder zurück. Pepi fragte noch: „Wie lange wird es dauern?“ Er bekam die Antwort: „Etwa zehn Minuten.“ Das war der Anfang, der Fahrgast kam aber nicht mehr wieder.

Er wollte schon aufgeben, als er plötzlich ein Geräusch vernahm. Sein Blick hob sich und fiel auf ein Fenster in einer Tür am Gang. Hinter dem Vorhang bewegte sich etwas, er näherte sich und erkannte hinter dem Vorhang das Mädchen, das in Begleitung des jungen Mannes an dieser Adresse ausgestiegen war; Pepi war zurückgefahren zu der Adresse, wo sie die junge Dame abgesetzt hatten. Er fasste Mut und öffnete die Tür. Gott sei Dank, sie war es tatsächlich. Mit Geschick und Diplomatie entlockte er ihr Namen und Adresse des jungen Mannes. Mit Zuversicht, sein verdientes Geld zu bekommen, begab er sich zielstrebig zu seinem Wagen, die Zeittaxe lief im Taxameter weiter.

An der angegebenen Adresse, in Wien 18 angekommen, der nächste Rückschlag: An der Haustür stand ein anderer Name, was jetzt? Er klopfte an der Tür des Hausmeisters, doch die Frau des Hausmeisters konnte ihm keine Auskunft geben. Ein Blitzgedanke durchzuckte ihn; in der Nähe war ein Polizeikommissariat, dort erkundigte sich Pepi mit Namen und Adresse über diesen jungen Mann und tatsächlich, die Polizei holte über das Einwohnermeldeamt die Information ein, dass dieser junge Herr an dieser Adresse wohnte, der Name an der Tür war der Name seines Stiefvaters.

„Jetzt aber hab ich ihn!“, sagte sich Pepi. Zurück im 18. Bezirk klopfte ihm das Herz, als er an der Tür läutete. Das verdutzte Gesicht des Studenten, der ihm die Tür öffnete, wäre schon alleine Grund genug gewesen, sich zu freuen, doch zur Sicherheit stellte Pepi gleich seinen Fuß in die Tür. Der junge Mann war keineswegs um eine Ausrede verlegen. Pepi sagte mit starker Stimme: „Hören Sie, das Taxi wartet noch da draußen!“ Der junge Mann: „Ich habe jemanden rausgeschickt!“ Darauf Pepi: „Aber bei mir ist niemand angekommen!“ Es war ihm anzusehen, dass er noch immer nicht zahlen wollte, da setzte Pepi ihn unter Druck und sagte: „Sie können es sich aussuchen, entweder zahlen Sie, oder ich mache eine Anzeige bei der Polizei, dann können Sie ihr Studium gleich vergessen.“ Nach kurzem Überlegen holte er endlich das Geld und bezahlte. Pepi triumphierte innerlich, seine Zähigkeit hatte ihn zum Erfolg geführt.


 

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