Sechs Tage

Autor: Hannes Denzel


Hannes Denzel über die RUMI 125 Regolarità Sei Giorni 1955

Regolarità heißt aus dem Italienischen übersetzt Regelmäßigkeit und im motorsportlichen Sinn Gleichmäßigkeit. Und wohl auch Zuverlässigkeit. Das Wort ist das italienische Pendant zum englischen Trial und steht für Geländeprüfungen, die sich oft auch über mehrere Tage erstrecken. Die bekannteste darunter ist das Six Days Trial, das in Großbritannien seinen Ursprung hat und 1913 erstmals ausgetragen wurde. Für das siegreiche Team gab es einen Wanderpokal, der 1949 durch eine Antiquität, einen Silberpokal aus der Ära King Georg III (er war König von 1760– 1801) ersetzt wurde, wodurch der Name sich in „Six Days Trophy“ änderte. Teilnehmen durften ausschließlich Länderteams mit je fünf Fahrern, deren Maschinen im eigenen Land entwickelt und produziert worden sein mussten. 1924 gab es einen zusätzlichen Bewerb mit einer Silbervase als Preis, wieder offen für Mannschaften aus dem gleichen Land, wobei es aber keine Rolle spielte, woher ihre Fahrzeuge stammten. Die Six Days Trophy zählte zu den anspruchsvollsten Bewerben für Mensch und Material, Siege und Platzierungen wurden von den Herstellern in ganzseitigen Reklameeinschaltungen noch Wochen nach dem Event ausgeschlachtet. Den Mannschaften gehörten nicht nur Geländespezialisten an, sondern auch erfahrene und erfolgreiche Straßenrennfahrer – als Beispiel sei hier das deutsche As Schorsch Meier genannt, der als erster Nichtbrite auf der Kompressor-BMW 1939 die Senior Tourist Trophy gewinnen konnte.

Während sich die englischen Begriffe Scrambler und später Enduro für solche Wettbewerbsmaschinen – die für Veranstaltungen wie die ISDT präpariert wurden – auch im deutschsprachigen Raum durchgesetzt haben, blieben die Italiener ihrer Muttersprache treu und hängten den Gelände-Guzzis, Laverdas, Ducatis, Gileras oder Fantics den Begriff „Regolarità“ hinter den Markennamen. 
 
So verfuhr auch Rumi. 1951 hatte sich das nur leicht modifizierte Modell „Sport“ bei Wertungsfahrten bewährt und so entschloss sich die Sportabteilung, ein Werksteam aufzubauen und den Piloten Spezialfahrzeuge zur Verfügung zu stellen. Die Regolaritàs bekamen den Rahmen der Gobetto-Straßenrenner, längere und stärkere Gabeln, größere Scheinwerfer mit Schlagschutz, höher gelegte Kotflügel, QD-Felgen mit Steckachsen für schnellen Radwechsel, Stollenreifen vorn und hinten, auf Gummipuffern gelagerte Tanks mit Befestigungsriemen und aufgeschnallte Werkzeugtaschen. Auch der Motor wurde von der Sport übernommen, in der Einvergaserversion – allerdings mit geänderter Übersetzung, so dass auch die im Geländesport immer wieder erforderliche Schrittgeschwindigkeit realisiert werden konnte. Auch die direkt nach hinten führende Doppelauspuffanlage samt Schalldämpfern der Sport fand Verwendung.

Diese Version blieb 1952 nur den Werksfahrern vorbehalten, taucht aber 1953 mit denselben technischen Spezifikationen auch in den Katalogen als käufliches Modell auf – dürfte aber nur in geringer Stückzahl gebaut worden sein. Das trifft wohl auch auf den Nachfolger zu, die Regolarità Sei Giorni. Ihr Namensanhängsel – „sechs Tage“ – kennzeichnet ihr Einsatzgebiet. 1954 wollte Rumi ein Team zum Six Days Trial entsenden, das in diesem Jahr wieder einmal in Großbritannien ausgerichtet wurde. Ingeniere Guido Rossi wurde beauftragt, dafür ein spezielles Gerät zu entwickeln. Von Grund auf, wieder mit dem bewährten Einvergaser-Motor der Sport als Kern. Die Sei Giorni ist somit weltweit das allererste Motorrad, das ganz explizit für den Einsatz im Gelände konzipiert worden und nicht bloß die Adaptierung einer Straßenmaschine ist. Der leichte Doppelrohrrahmen war so geformt, dass der Motor – wieder tragendes Element – mit den (Alu-)Zylindern leicht nach oben geneigt montiert ist – was eine wesentlich größere Bodenfreiheit ergibt. Horizontal führen jetzt allerdings die Auspuffrohre nach hinten, wobei die Schalldämpfer steil nach hinten oben ragen – vorbei an den verstellbaren Sturcher-Dämpfern. Vorne wurde wie später beim Modell Junior eine Earles Schwinge verbaut, allerdings in steilerer Neigung. Ein 22” Dell’-Orto-Einzelvergaser, QD-Felgen, Steckachsen mit Schnellverschluss, ein kurzer, innengefederter Sattel, Tanktasche, Gepäckträger, die Flasche mit Druckluftfüllung, ein Abschleppseil, der große Scheinwerfer und ein hoher Geländelenker gehören zur Ausstattung der Sei Giorni. 

Vier Werksfahrer entsandte Rumi im September 1954 zu den 29ten Six Days nach Llandrindod Wells in Großbritannien. Dario Basso, Miro Riva, Bruno Romano und Pietro Carissoni traten in der Vorserienversion an – aber nicht mit der Earles Schwinge, sondern mit einer Teledraulic-Gabel der ersten Regolarità-Ausführung. Sie brachten vier Goldmedaillen in der Einzelwertung und eine weitere als Team heim nach Bergamo. Das folgende Medieninteresse dürfte es gewesen sein, das Rumi bewogen hat, eine käufliche Serie der Regolarità Sei Giorni aufzulegen, die ab 1955 in den Handel kam, ausgestattet mit der Earles- Gabel. Auch in diesem Jahr beteiligte sich Moto Rumi wieder an den Six Days, bereitete spezielle Werksmaschinen vor.

Ausgetragen wurde die 30te Ausgabe der ISDT vom 13.–18. September 1955 im tschechischen Gottwaldov. Der Trophy-Mannschaft gehörten neben Benzoni auf Laverda und Fenocchio auf Gilera drei Rumisti an: Dario Basso, Peitro Carissoni und Constanzo Daminelli. Auch im Silbervasenteam fuhren zwei Rumis, Ennio Mafezzoli und Ennio Longirotti. Auszeichnen konnten sich die Rumi-Fahrer nicht: Nachdem schon am ersten Tag der Laverda-Fahrer Serafino Dietrich vom Silbervasenteam zu Tode gestürzt war, nahm die italienische Rennleitung alle ihre Fahrer aus dem Bewerb.*

Bei dieser speziellen Maschine auf unseren Fotos handelt es sich um die 1955er Sei Giorni, mit welcher Ennio Mafezzoli in Gottwaldov gestartet war. Obwohl seine Maschine nur einen Tag lang den knochenharten Anforderungen, den miserablen Streckenverhältnissen und dem schlechten Wetter ausgesetzt war, kann man ihr die Spuren heute noch ansehen. Sie blieb im Besitz ihres Fahrers und nach dessen Ableben seiner Familie, von der Rumi-Fan Manfred Grill aus Salzburg sie nach langen, zähen Verhandlungen, noch in Italien von Spezialisten unter weitestmöglichem Belassen des Originalzustands wieder fahrbereit nach Österreich bringen konnte, wo er sie wieder für den Straßenverkehr zugelassen hat. Leider kam sie zu spät, um noch im Buch „Moto Rumi – Roller und Renner aus Künstlerhand“ (siehe www.hollinek.at) unterzukommen. Darin wird aber eine weitere Regolarità mit österreichischer Geschichte präsentiert.


 

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