Lola und die Männer
Autor: Text: Christian Sandler | Photos: Archiv Ecker, Archiv Familie Gartner, Christian Sandler

Die Rennwagenschmiede „Lola Cars“ wurde 1958 von Eric Broadley, gemeinsam mit seinem Cousin Graham, im englischen Bromley gegründet und verlagerte die Produktion 1970 nach Huntington.
Den Namen seines Unternehmens entlieh er einem populären britischen Schlager der 1950er-Jahre mit dem Titel „Whatever Lola wants Lola gets“. Die Firma entwickelte sich schnell zu einem der führenden unabhängigen Rennwagenhersteller weltweit. Lola begann mit Sportwagen, erweiterte ihr Portfolio aber bald auf Monoposto-Rennwagen und etablierte sich in zahlreichen Rennserien. Als Honda Mitte der 1960er-Jahre in die Formel 1 einstieg, traten sie mit einem Lola Chassis in der Königsklasse an, Hondola war der Spitzname. Lola stellte in weiterer Folge mehrfach Chassis für verschiedene Formel-1-Teams zur Verfügung, darunter klingende Namen wie Embassy Hill, Larrousse oder Scuderia Italia. Der Versuch, 1997 mit einem eigenen Werksteam anzutreten, scheiterte jedoch spektakulär, das Team verschwand nach nur einem Rennen wieder.
In den 1970er- und 1980er-Jahren wurde Lola zum führenden Chassis-Hersteller für die amerikanische Indy Car- und Champ Car-Serie. Fahrer wie Nigel Mansell gewannen mit Lola-Chassis Meisterschaften, und das Unternehmen dominierte lange Zeit die amerikanische Szene. Lola war auch bei Langstreckenrennen äußerst erfolgreich. Die Marke produzierte Fahrzeuge für die Can-Am-Serie, IMSA, die European Le Mans Series und die 24 Stunden von Le Mans. Besonders die Lola T70-Modelle aus den 1960er-Jahren gelten bis heute als Ikonen des Sportwagen-Rennsports. Lola hatte sehr großen Einfluss auf Nachwuchsrennserien und erzeugte Chassis für die Formel Ford, Formel V, Formel 2, Formel 3 und später auch für die Formel 3000. Die Engländer waren bekannt für innovative technische Entwicklungen, trotz sportlicher Erfolge geriet Lola in finanzielle Schwierigkeiten. Nach mehreren Krisen meldete das Unternehmen 2012 Insolvenz an und stellte den Betrieb endgültig ein. Teile der technischen Infrastruktur und des Know-hows wurden von anderen Firmen übernommen, Lola-Fahrzeuge sind bis heute in sämtlichen historischen Rennserien auf der ganzen Welt zu bewundern.
Für die „Formel Super V“ entwickelte Lola Ende der 1970er-Jahre den Typ T620. Bis Mitte der 1970er-Jahre waren die Kaimänner des Wiener „Genies aus der Vorstadt“ Kurt „Master“ Bergmann die dominanten Renner. Mit ihren genialen Rohrrahmen waren sie das Maß der Dinge in dieser weltumspannenden Serie. Dann setzten sich mehr und mehr die Chassis mit Aluminium-Monocoque durch, wie auch beim neuen T620. Der 1600er, 4-Zylinder-Reihen-Rennmotor mit 8 Ventilen, von VW leistete etwa 170 PS, hatte eine mechanische Kugelfischer-Einspritzung und Trockensumpfschmierung. Verbaut wurde ein Hewland Mk 9-Getriebe, das Leergewicht lag bei 430 kg.
Laut Lola Ltd. wurden von der Baureihe T620 insgesamt 26 Stück gebaut, sechs davon blieben in Europa, der Rest wurde in die USA verkauft. Einer davon, Chassis-Nummer HU21 (HU steht für Huntington) wurde 1978 vom Wiener Autorennfahrer Jo Gartner für die Formel V-Europameisterschaft (Europapokal) über Bill Bradley erworben. Unterstützt wurde er hauptsächlich vom Electronic-Spezialisten Kredba, Jim Beam, Alberti Eis und Gedore. Gartner, geboren 1954 in Wien, war ausgebildeter KFZ-Ingenieur und arbeitete in Essling beim Rennwagenbauer Kurt Bergmann, der Weg zum Rennfahrer war also praktisch vorgezeichnet. Jahre später schwärmte der „Master“ immer noch von Gartner als seinem besten Konstrukteur. Seine Rennkarriere begann er 1976 mit einem gebrauchten Kaimann Super V beim Bergrennen in Bad Mühllacken. Er feierte in den Jahren 1976 und 1977 in der österreichischen Staatsmeisterschaft sowie der Europameisterschaft beachtliche Erfolge und so musste eben für höhere Ziele ein moderneres Auto her. Mit diesem Lola T620 HU21 bestritt er die 13 Rennen umfassende Formel V-Europameisterschaft 1978, in der er einen Sieg und mehrere Podiumsplatzierungen erreichte. Weitere drei Rennen bestritt er damit im Rahmen der österreichischen Meisterschaft.
Die Erfolge, trotz des kleinen und überschaubaren Budgets, waren beachtlich. Jo belegte am Ende der Meisterschaft, einmal quer durch Europa, den dritten Rang – hinter Helmut Henzler und Kenneth Persson. Meistens waren sie zu dritt unterwegs, Bruder Fritz mit Spezi Fredi Jung und Christian Geiszler bildeten mit „Jonny“ das Kernteam. Jeder war für alles zuständig, wie es halt in den 70er-Jahren war. Ein echtes Roadmovie mit Rennaction und Fahrerlagerromantik, wobei auch nach jedem Wochenende ein Kassasturz gemacht werden musste.
Jo strebte jedoch nach Höherem, im Oktober folgte das erste Rennen mit einem geliehenen Formel 2-Rennwagen am alten Österreichring, Platz zwei in einem von „Jim Beam“ gesponserten March BMW. Nach der Saison 1978 verkaufte Gartner den Lola Super V an den Schweizer Marc Hopf und er setzte zielstrebig seine Karriere erfolgreich bis in den Motorsport-Olymp fort. Mit Stationen über die Formel 3, Formel 2 und Procar Serie landete er schließlich 1984 in der Formel 1, beim eher schwachen und unter Geldsorgen leidenden Team Osella. Sein größter Erfolg war sicherlich beim GP in Monza der fünfte Platz, gewonnen hat Lauda, Berger wurde Sechster – ein denkwürdiges Ergebnis in rot-weiß-rot. Schon Ende 1984 entbrannte in Österreich für die F1-Saison 1985 das leidige „Lauda-Nachfolgespiel“, wobei Gartner gegen Berger den Kürzeren zog. Nach einem Wechsel in die Gruppe C erzielte er 1985 und 1986 phantastische Erfolge mit dem legendären Porsche 956/962. Platz 1 mit Partner Stuck beim 12-Stunden-Klassiker in Sebring war sicher sein schönster Sieg. Kurios dabei: Gartner humpelte auf drei Rädern durchs Ziel, da flippten die Amis aus. Leider verunglückte Jo Gartner am 1. Juni 1986 auf tragische Weise in Le Mans. Er hatte noch so viel vor, seine Karriere ging ständig nach oben und endete plötzlich, wie Schuberts Unvollendete, auf der damals noch 6 Kilometer langen Hunaudières.
Zurück zum Lola T620 HU21: Nach dem Verkauf an Marc Hopf in Zürich wurde das Fahrzeug 1979 bei drei Rennen eingesetzt, bevor es 1980 an Jürg Vogt, ebenfalls ein Zürcher, weitergegeben wurde. Er fuhr damit 1980 und 1981 etwa 13 Rennen im Berg- und Rundstreckensport. Historische Rennstrecken wie Österreichring, Hockenheimring, Norisring findet man im Wagenpass. Anfang 1982 wechselte HU21 in die Zentralschweiz zu Hans-Peter Gafner. Der neue Besitzer fuhr aus beruflichen Gründen damit nur vier Bergrennen und einen Lauf am Norisring und so wechselte der Rennwagen am Ende des Jahres vom nördlichen Ende des Thunersees zum südlichen Ende. Der Unternehmer Ernst Balmer aus Wilderswil setzte das Auto 1983 und 1984 bei insgesamt 13 Veranstaltungen ein, hauptsächlich Bergrennen in der Schweiz und Deutschland sowie am Hockenheimring. Für das Jahr 1985 konnten keine Renneinsätze ermittelt werden und der Bolide wurde abermals verkauft. Kurt Dubler, erraten – ebenfalls ein Schweizer, fuhr in den Jahren 1986 und 1987 hauptsächlich Bergrennen in der Schweiz sowie einmal am Österreichring. Als letzten Eintrag im Wagenpass ist das Bergrennen von Gurnigel am 13.9.1987 vermerkt. Dann verschwindet der geschichtsträchtige Lola für einige Jahre irgendwo in den Schweizer Alpen, ehe er als Scheunenfund 1995 bei einem Händler im deutschen Herford wieder auftauchte. Der Holländer Hans Smit kaufte und restaurierte den Wagen, er fuhr damit, eher spaßeshalber, einige lokale Hobbyrennen. 2008 verkaufte er den Rennwagen an den Marburger Herbert Schnell. Schnell wollte HU21 komplett neu aufbauen und für die Rennstrecke fit machen. Er kam aber über die Zerlegung nicht hinaus und letztendlich übernahm Rüdiger Mager aus Rottweil diese Baustelle. Mager, kein unbekannter in der Szene, baute den Wagen komplett neu auf, der Motor stammt von Büchl-Motorsport, er versetzte „die Lola“ in den Originalzustand von 1978, so wie Jo Gartner seinerzeit unterwegs war. In den Jahren 2010–2023 fuhr Mager damit sehr erfolgreich in der „Historischen Formel-V“ und zog dort stets die Blicke auf sich.
Im Herbst 2023 beendete der Oberösterreicher Alfred Ecker die Reise des „Gartner-Lola“ quer durch Europa und holte HU21 wieder zurück nach Österreich, samt dazugehörigem Hänger im X-Large-Format mit integriertem „Konferenzraum“. Der sympathische Mühlviertler, der früher sogar Motorradrennen fuhr, ist damit ein gern gesehener Gast bei verschiedensten historischen Veranstaltungen. Imola, Spa, Red Bull Ring, Hockenheimring und Nürburgring waren die Auftritte im Jahr 2024, nicht schlecht für den Anfang. Heuer wird der Lola T620 HU21 unter anderem beim Bergrennrevival am 2. August in Bad Mühllacken zu bewundern sein, dort wo einst Jo Gartner sein erstes Autorennen fuhr.