Herbert Völker, 1943–2025 - Klare Sätze, gute Pointen

Autor: Text: Martin Strubreiter | Photos: Jürgen Skarwan, Bernd Schilling, Alois Rottensteiner, Archiv Autorevue


Aus einer jungen Autozeitschrift ein Literaturmagazin zu machen, kann eine schwierige Aufgabe sein, aber auch wie selbstverständlich klappen.

Unvorstellbar, dass es zwei Jahre autorevue ohne Herbert Völker als Chefredakteur gab. Streng genommen waren es sogar 25, denn als Chefredakteur fungierte er nur von 1967–2002, selbst das unvorstellbare 35 Jahre. Aber selbst, als es einen Nachfolger gab, war er irgendwie dabei und mittendrunter, und wir, seine dienstlichen Kinder, schrieben, als würde ER den Text absegnen und gutheißen oder ein wenig Verbesserung einfordern, was immer mit milden Worten geschah.

Die Jahre, die WIRKLICH ohne ihn absolviert wurden, waren die ersten beiden. Immerhin Axel Höfer, bis heute quasi Außenstelle der autorevue mit Lebenszeit-Einladung zu allen Redaktionsfesten (und einziger, der sich im Sport-Fotoarchiv auskennt), war bereits ab Augabe 2/1965 dabei, damals grad 20 Jahre alt und ein Motorsport-Narrischer vor dem Herrn.

Ein Chefredakteur fehlte trotzdem. Da fiel der junge Mann auf, der bei Neues Österreich über Sport schrieb und selber Leichtathlet war, und meistens schrieb er tatsächlich über Sport. Er konnte aber auch Details am Wegesrand aufgabeln und zu schriftstellerischen Kleinodien verwandeln, die den ganzen Text ins Fach der Literatur hinüberstrahlen ließen. Einen Ameisenhaufen am Straßenrand, zum Beispiel.

So kam die autorevue zu einem Chefredakteur, der den Stil für immer aus dem herausheben sollte, was man von einem Automagazin erwartete. Das Erwartete fand natürlich dennoch statt, aber der Schreibstil war so, dass man sich nicht für Autos interessieren musste, um über sie zu lesen, und bei den deutschen Automagazinen waren sie wahrscheinlich völlig ratlos, wie sowas in Österreich funktionieren konnte.

Es funktionierte, und Herbert Völker wählte seine Redaktion mit unglaublicher Treffsicherheit: Ein bunter Haufen unterschiedlicher Charaktere, die in der Sache aber wunderbar zueinander fanden. Das etwas ausgelutschte Wort von der Familie könnte schnell bei der Hand sein, aber Plattitüden waren bei Chefredakteur Völker unerwünscht, und wir alle waren dankbar dafür. Es gab den Käfig mit Worten drin, die niemals in die Texte finden durften („Alpenrepublik“, „Löwenmarke“ und ähnliche Worthülsen), und in frühen Jahren, also den 70ern und 80ern, kam Völker mit Literatur in die Redaktion, um mit den jungen Kollegen den Aufbau von Texten zu üben. So reifte der junge David Staretz an Ernest Hemingway, Grundlinie: Sachverhalte mit klaren Sätzen erklären und wohl dosiert Pointen setzen, nie die Leser (das war jetzt vermutlich korrekt gegendert) mit einer Folge eingesprungener, textlicher Doppelrittberger zu unterhalten versuchen.

Weitere Erkenntnisse: Fast jeder Text gewinnt, wenn man den ersten Absatz (oder zumindest den ersten Satz) wegschmeißt. Und man muss nicht unbedingt ein Benzinbruder sein, um über Autos zu schreiben – es genügt, Autos als schöne Facette des Lebens zu betrachten, gerne als eine von vielen.

So war in der Stellenausschreibung 1993 sinngemäß zu lesen: Fachkenntnis wäre nützlich, aber nicht nötig. Und die mitgeschickte Textprobe könne, müsse aber keineswegs von Autos handeln. An die 170 Bewerberinnen und Bewerber gab’s damals, heute völlig unvorstellbar.

So kam ich, ein Jahr später und beim zweiten Anlauf, auch dazu. Natürlich waren wir alle bis auf Axel und David per Sie mit Herbert Völker, sogar mit dem lediglich drei Jahre älteren Fotografen Bernd Schilling ging er erst in der zweiten Hälfte der 90er zum Du über. Es war auch noch die Zeit, als man bei Pressevorstellungen neuer Autos abends strikt mit Sakko und Krawatte erschien, und manch Chefredakteur anderer Magazine oder Ressortleiter der Tageszeitungen wechselte mit Jungredakteuren nur ein Wort, wenn es sich nicht vermeiden ließ.

Bei Herbert Völker kam der Respekt einfach aus seinem Wirken, aus diesem freundlichen Mentoring und der Gewissheit, dass man das Leben auch während der Arbeit genießen kann, besonders bei dieser.

Das Du bot er uns in späten Jahren nicht an, er ging einfach dazu über, angefangen bei unserem Praktikanten Julian. Nicht alle der dann auch schon mittelalterlichen Redakteure kamen ganz locker damit zurecht, den Elder Statesman des Magazins jetzt per saloppem Herbert anzusprechen, aber lückenlos alle erfreuten sich an seinen Texten, wenn wieder einmal einer ins Heft kam.

Traurig war nur, dass er in den letzten Jahren vermehrt Nachrufe verfasste, oft auf seine Kumpels aus schon etwas verblassenden Jahrzehnten. Nach dem Nachruf auf Helmut Zwickl kündigte er einen auf Jochen Mass an. Der Text wurde nicht mehr fertig.

Da will jetzt ein versöhnliches Ende her, zum Beispiel mit Fokus auf einen meiner Völker-Lieblingstexte. Es war die Geschichte seines privaten Saab 96, erschienen im 20-Jahre-Jubiläumsheft. Auf den Fotos waren ausschließlich Saab 96 zu sehen, und die Geschichte verriet, dass aus Umweltgründen nur mehr eine Autotype fahren dürfe, zufällig wurde der Saab 96 gelost. Und wenn den Saab-Fahrern doch einmal nach einem Verkehrsstau wäre, dann zögen sie eine Honigspur quer über die Straße, flugs kämen die Ameisen, und die Autos würden sich davor stauen, ein bisserl hupen und schimpfen, und dann führen alle wieder heim.

Hat man Ähnliches jemals in einer deutschen Autozeitschrift gelesen?


 

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