Das Erlebnis Mille Miglia

Autor: Hannes Frech


Schon bald nachdem wir begonnen haben Oldtimer-Rallyes zu fahren, tauchte der Wunsch auf, doch einmal die berühmte Mille Miglia zu erleben.

Wir hörten, dass sie sehr teuer, sehr schnell und chaotisch sei und man ein „eligible car“ braucht und dass dieses selten genug sein sollte, um überhaupt die Gunst des Auswahlkomitees zu gewinnen. Also ein beinahe unmögliches Unterfangen.

Als wir nach Jahren wieder auf die Suche nach einem Oldtimer gingen, war klar, dass wir nun ein Auto suchen, dass bei der Mille Miglia zugelassen ist, möglichst selten in den Teilnahmelisten aufscheint, leistbar ist und auch ausreichend Kraft hat, um mit den starken Autos einigermaßen mithalten zu können. Und natürlich musste es uns gefallen. Die Wahl fiel auf einen Ford Thunderbird Baujahr 1955, der all diese Kriterien erfüllte. 

Ich will hier nicht auf die einzelnen Etappen eingehen, sondern einen Überblick über die Besonderheiten der Mille Miglia geben. Beginnend bei der Anmeldung, den notwendigen Begleitthemen, die Wertung und natürlich auch einen kurzen Eindruck über die Veranstaltung selbst.

Anmeldung des Autos

Zuerst braucht das Auto einen Fiva-Pass. Dann erfolgt das Ausfüllen umfangreicher Dokumente betreffend vieler technischer Details online. Wichtig ist dabei die Originalität des Fahrzeuges. Dazu müssen auch Fotos von verschiedenen Seiten sowie Details hochgeladen werden.

Anmeldung des Teams

Als nächstes erfolgt die Anmeldung des Teams, wobei viele Dokumente (Führerschein von Fahrer und Beifahrer, Fahrzeugpapiere, Versicherungsdokumente, ärztliches Attest für Fahrer und Beifahrer, etc.) hochgeladen werden müssen. Manche Dokumente wie eine italienische Tageslizenz für Gleichmäßigkeitsveranstaltungen müssen kostenpflichtig bestellt werden. 

Und dann das Wichtigste: Bezahlung der vollen Teilnahmegebühr sowie sonstiger Gebühren wie eben die Lizenz. Und das alles hat bis Anfang Jänner des jeweiligen Jahres zu erfolgen. Wird man nicht genommen, bekommt man das Geld, abzüglich einer Bearbeitungsgebühr, wieder im Juni zurück.

Dann heißt es warten. Zuerst kam die freudige Nachricht, dass unser Thunderbird als „eligible car“ eingetragen wurde und bei genauer Recherche auf der Homepage, als einer von nur fünf überhaupt. Na, das ließ uns hoffen, dass wir auch einen der begehrten Startplätze bekommen. Und tatsächlich, im April wurden wir informiert, dass wir einen Startplatz erhalten haben.

Vor der Rallye Zuerst wurde das Auto noch einmal auf Herz und Nieren überprüft, einige Probefahrten absolviert und die wichtigsten Ersatzteile bestellt (alle Zündungsteile, Keilriemen, Benzinfilter, Wischerblätter, Batterie, Bremsbacken, …). Für ein italienisches Auto Ersatzteile in Italien zu finden, sollte ja kein Problem sein, aber für einen Amerikaner? Sogar ein neues Reserverad musste her, denn der vorhandene Diagonalreifen war wohl aus den 70er-Jahren des vorigen Jahrhunderts. Und natürlich Basiswerkzeug für unterwegs.

Nun ging es daran, einen Transport für das Auto zu organisieren und, das Allerwichtigste, ein Serviceteam zu buchen, denn ohne technischen Support die Mille Miglia zu fahren sei nur jenen empfohlen, die über ausreichend Reparaturfertigkeiten verfügen. Über wohlwollende Vermittlung konnten wir uns mit drei weiteren Teams den Transport teilen, sowie die technische Unterstützung vor Ort organisieren.

Die Rallye allgemein

Die Rallye selbst ist deutlich besser organisiert, als man gerüchteweise hört. Das Roadbook ist perfekt, aber da 99% der Abzweiger mit dem roten Pfeil ausgeschildert sind, braucht man das Roadbook beinahe nicht. Auch die organisatorische und technische Abnahme funktionieren ausgezeichnet und auch die Buffets bei den Pausen sind für hintere Startnummern noch mehr als ausreichend bestückt. Also keine Rede von leer gegessenen Buffets.

An vielen Kreuzungen und vor allem Kreisverkehren in den größeren Städten sind unzählige Helfer, welche die Straßen absperren, um dem Tross die rasche Durchfahrt zu ermöglichen. Und ja, es ist eine sehr, sehr flotte Rallye, denn obwohl die angegebenen Durchschnittsgeschwindigkeiten der einzelnen Etappen moderat scheinen, so sind es die vielen Städte und Ortsdurchfahrten, die Zeit benötigen. Am meisten Zeit kosten die Passierkontrollen und die Zeitkontrollen, denn die Disziplin der Teilnehmer beim Anstellen lässt teilweise sehr zu wünschen übrig. Auch wenn diese eine hintere Startnummer haben, fahren die meisten nach vor und man muss aufpassen, nicht abgedrängt oder zugeparkt zu werden, denn dann ist die ZK nicht zu erreichen.

Zu den ca. 450 Teilnehmern kommen noch unzählige Begleitfahrzeuge, die den Weg verstellen, denn auch diese drängen sich zwischen die Teilnehmer. Auf den Straßen wird überholt, was das Zeug hält: bei jeder Ampel und bei jedem Kreisverkehr wird links oder auch mal rechts an den Wartenden hupend vorbeigefahren und der Gegenverkehr zur Seite gedrängt. Die Mille Miglia- Aufkleber rufen zum Glück großteils Verständnis bei den Verkehrsteilnehmern hervor. Rote Ampeln werden nach Möglichkeit und bei Bedarf ignoriert, auch teilweise mit Hilfe der Polizei. Lediglich das Rasen in den Orten wird mit saftigen Strafpunkten sanktioniert (alle Autos werden ständig via GPS getrackt).

Die Wertung

Am wichtigsten sind die Zeitkontrollen. Diese verspätet zu erreichen, bringt heftige Strafpunkte in Form von Minuspunkten. Bei den zahlreichen Schlauchprüfungen können Pluspunkte gesammelt werden. D. h. für eine „Nullerzeit“ bekommt man eine definierte Anzahl an Pluspunkten (diese Tabellen sind in den Durchführungsbestimmungen enthalten) und mit jeder Abweichung werden diese weniger und ab 2 Sekunden Abweichung gibt es keine Punkte mehr. Diese Punkte werden mit einem Faktor – abhängig vom Baujahr und Type – multipliziert. D. h., wer die meisten gewichteten Punkte bekommt, gewinnt. Vorkriegsautos, vor allem italienische, haben einen hohen Multiplikator.

Bei den Schlauchprüfungen sind bis zu zehn Schläuche hintereinander, die bis zu 2 Minuten auseinander liegen können. Und es wird gezählt von A nach B, von B nach C, von C nach D und so weiter. Dazu gibt es in Italien eine spezielle Stoppuhr, nämlich den „Zero“, in die man die Sonderprüfungen einprogrammieren kann und die mittels Handstopper durch den Fahrer beim jeweiligen Überfahren des Schlauches ausgelöst wird. Der Beifahrer muss nur zählen, wobei der „Zero“ immer herunterzählt, was die Sache deutlich erleichtert. Die 144 Schlauchprüfungen können gegen EUR 20 seitens des Herstellers bei der Abnahme in das Gerät eingespielt werden. Sehr praktisch, denn so spart man sich das aufwendige manuelle Programmieren.

Bei den Schnittprüfungen bringen positive Abweichungen (also zu langsam) mehr Punkte als negative Abweichungen (zu schnell): Je größer die Abweichungen, desto geringer die Punkte. Dazu gibt es ebenfalls in den Durchführungsbestimmungen Tabellen, anhand derer man die Punkte nachvollziehen kann. In den Schnitten wird nur in Sekunden gemessen, bei den Schläuchen in 100stel.

Verspätungen und sonstige Vergehen wie zu schnelles Fahren bringen negative Punkte, sodass man wieder zurückgeworfen wird.

Alle technischen Geräte sind bei der Mille Miglia übrigens erlaubt. Mache Autos vermitteln den Eindruck von Flugzeugcockpits.

Unsere Eindrücke Zur Rallye selbst: durch die Hitze und die ständigen Probleme mit zu heiß werdenden Benzinpumpen, die langen Fahrtage bis tief hinein in die Nacht und das sehr kompetitive Verhalten der Teilnehmer, war die Rallye sicherlich die anstrengendste, die wir bisher gefahren sind. Heftiger als die AvD Histo Monte, aber wir möchten das Erlebnis nicht missen. Und ja, sie kostet viel Geld, aber es ist ein „once in a lifetime event“.

Das Tollste und fast Berührendste für uns war die Begeisterung der Menschen entlang der Strecke: die Straßen in den Städten waren mit Luftballons und Plakaten geschmückt, Menschenmassen säumten die Straßen, Kindergartengruppen sahen zu, Menschen aus Pflegeheimen in Rollstühlen wurden zum Zuschauen gebracht, Oldtimerclubs stellten ihre Schätze an den Straßenrand, Kinder haben die Teilnehmer in den engen Straßen der historischen Städte abgeklatscht. So eine Begeisterung gibt es nur in Italien. Ein unvergessliches Erlebnis!


 

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