Im Bann der Bahn – 200 Jahre Eisenbahngeschichte

Autor: Technisches Museum Wien


Wie ein technisches Wunderwerk die Welt veränderte – und wie das Technische Museum Wien diese Geschichte feiert

Als am 27. September 1825 die Dampflokomotive „Locomotion No. 1“ erstmals die 40  Kilometer lange Strecke zwischen Stockton und Darlington befuhr, ahnte niemand, dass dieser Tag den Startpunkt einer Revolution markierte, die die Welt nachhaltig verändern sollte. Was in England als Transportlösung für Kohle begann, entwickelte sich zum Symbol eines tiefgreifenden Wandels – und prägt unsere Welt bis heute. Das Technische Museum Wien widmet der Erfolgsgeschichte der Schiene eine große Jubiläumsausstellung mit dem Titel „Im Bann der Bahn. 200 Jahre Eisenbahn“.

Österreichs Pioniergeist auf Schienen

Die Schienentechnik verbreitete sich rasant in ganz Europa, und Österreich erkannte früh das transformative Potenzial dieser neuen Erfindung. Schon 1827 nahm die erste Pferdeeisenbahn zwischen Linz und Budweis den Betrieb auf – eine Pionierleistung im kontinentalen Europa. Zehn Jahre später, 1837, fuhr mit der Strecke Floridsdorf–Deutsch-Wagram die erste Dampfeisenbahn Österreichs, gezogen von der Lokomotive „Austria“. Das Zeitalter des Dampfes war angebrochen und nichts sollte bleiben, wie es war.

Die Eisenbahn wurde zur Triebfeder des industriellen Aufbruchs. Sie erschloss Rohstoffquellen, verband Häfen mit Fabriken und Städte mit ihren Vororten. Das spektakulärste Projekt dieser frühen Jahre war zweifellos die Semmeringbahn, die 1854 eröffnet wurde. Als erste Gebirgsbahn Europas stellte sie eine ingenieurtechnische Meisterleistung dar. Carl Ritter von Ghega bezwang die Alpen mit kühnen Viadukten, spektakulären Tunneln und Brücken. Heute zählt die Semmeringbahn zum UNESCO-Welterbe.

Ein Reich auf Schienen und die Erfindung der Pünktlichkeit

Im 19. Jahrhundert durchzog ein dichtes Netz aus Bahngleisen das Habsburgerreich – von Wien über Prag und Lemberg bis nach Triest. Gesellschaften wie die k. k. privilegierte Südbahn oder die k. k. privilegierte Österreichische Nordwestbahn verbanden Regionen, Märkte und Kulturen. Erstmals wurden Entfernungen relativ: Ein Tag reichte, um von Wien nach Graz oder Linz zu reisen. Das war mehr als Mobilität – es war ein neues Lebensgefühl. Für das wirtschaftlich heterogene Habsburgerreich war die Eisenbahn ein unverzichtbares Werkzeug zur Integration der Kronländer und zur Vereinheitlichung der Verwaltung. Sie ermöglichte erstmals eine schnelle und zuverlässige Verbindung zwischen weit entlegenen Regionen und schuf damit die Grundlage für einen zusammenhängenden Wirtschaftsraum. Die Eisenbahn schuf Arbeitsplätze, Industrien – und ein modernes Bewusstsein von Zeit. Denn mit dem Bau immer längerer Strecken stießen die Bahngesellschaften auf ein unerwartetes Problem: Jeder Ort hatte seine eigene Ortszeit nach dem Stand der Sonne. Für Eisenbahnfahrpläne, die über mehrere Städte reichten, war dies nicht nur unpraktisch, sondern potenziell gefährlich. Um die Abfahrten und Ankünfte koordinieren zu können, mussten die Uhren synchron laufen. So entstand die sogenannte Bahnzeit: Die Eisenbahn war damit nicht nur ein technisches, sondern auch ein kulturelles Innovationsprojekt. Sie zwang zur Vereinheitlichung der Zeitmessung und schuf damit eine Voraussetzung für moderne Verwaltung, Wirtschaft und Kommunikation. Die Einführung der Mitteleuropäischen Zeit (MEZ) 1891 im Habsburgerreich war ein direkter Nebeneffekt des Eisenbahnbetriebs. Der Takt der Züge wurde zum Takt der Moderne.

Kommunikation unter Dampf

Hinter dem romantischen Bild dampfender Lokomotiven verbarg sich von Anfang an eine zweite Revolution: jene der Kommunikation. Schon in den 1840er-Jahren legten Bahngesellschaften entlang der Trassen Telegrafenleitungen, um Zugfahrten zu koordinieren und Unfälle zu verhindern. Die Eisenbahn war damit Wegbereiterin des modernen Nachrichtenwesens. Später folgten Telefonnetze, Funkverbindungen und schließlich digitale Steuerungssysteme, die heute jeden Zug in Echtzeit überwachen. Vom Morsezeichen bis zum GSM-R-Digitalfunk spannt sich eine Entwicklung, die Sicherheit, Präzision und Verlässlichkeit erst möglich machte.

Die große Welt im kleinen Maßstab

Die Jubiläumsausstellung „Im Bann der Bahn“ im Technischen Museum Wien rückt ein besonders faszinierendes Kapitel dieser Geschichte in den Mittelpunkt: den Eisenbahnmodellbau. Mehr als 50 großformatige Modelle in Maßstäben zwischen 1:5 und 1:30 – viele davon erstmals seit Jahrzehnten gezeigt – veranschaulichen die Entwicklung der Schienenfahrzeuge von der Frühzeit bis in die Gegenwart. Die Modelle wurden in Werkstätten, Fabriken und Lehrlingsschulen gebaut, oft aus Originalmaterialien. Sie sind keine bloßen Miniaturen, sondern dreidimensionale Archive der Ingenieurskunst. Darunter finden sich Ikonen wie die für den Semmering konstruierte Güterzuglokomotive „Vindobona“ sowie Karl Gölsdorfs elegante Stadtbahnlokomotive. Die Modelle erzählen Geschichten – von Weltausstellungen, Lehrlingswerkstätten und dem Stolz auf technische Meisterschaft. Sie verkörpern die Faszination, Mechanik begreifen zu können – mit Auge, Hand und Herz.

Interaktiv durch 200 Jahre

Ein besonderes Highlight ist die interaktive Eisenbahnkarte, die in Zusammenarbeit mit den ÖBB entstanden ist. Auf einer digitalen Projektionsfläche können Besucher:innen verfolgen, wie sich das Streckennetz seit 1827 entwickelt hat – bis hin zu den Tunnelprojekten der Gegenwart und Zukunft. Eine multimediale Zeitreise, die zeigt, wie die Bahn Österreichs Geografie neu schrieb.

Zukunft auf Schienen

Doch die Ausstellung blickt nicht nur zurück. Im Science Corner wird ein aktuelles Forschungsprojekt vorgestellt, das zeigt, wie die Eisenbahn auch im 21. Jahrhundert Innovationstreiber bleibt: Das Projekt „Green-TrAIn-Plan“ arbeitet mithilfe von Künstlicher Intelligenz und mathematischer Optimierung an energieeffizienten Fahrstrategien. Ziel ist es, Züge so zu steuern, dass sie weniger Energie verbrauchen, ohne an Pünktlichkeit zu verlieren – Nachhaltigkeit durch Präzision.

Auch die Digitale Automatische Kupplung wird vorgestellt – eine auf den ersten Blick unscheinbare, aber revolutionäre Neuerung im Güterverkehr. Sie ersetzt die klassische Schraubenkupplung und ermöglicht automatisierte Bremsproben und Rangierprozesse. Damit wird der Gütertransport auf Schienen schneller, sicherer und wirtschaftlicher – ein weiterer Schritt in Richtung digitaler Bahnwelt.

Für Entdeckungslustige und Familien

Trotz technischer Tiefe ist „Im Bann der Bahn“ keine reine Fachausstellung. Kinder und Familien können die Geschichte spielerisch erkunden: Die Rätselrallye „Spark Express“ führt junge Besucher:innen durch die Themenbereiche, lässt sie Aufgaben lösen und technische Zusammenhänge begreifen. Eine vorführbare Modelleisenbahnanlage sorgt an Wochenenden für leuchtende Augen – bei Jung und Alt gleichermaßen.

Begleitpublikation

Zur Ausstellung ist die reich bebilderte Publikation „Magie auf Schienen. Eisenbahnmodelle erzählen ihre Geschichte“ erschienen. Sie präsentiert mit eindrucksvollen und detailreichen Fotografien herausragende Modelle der Ausstellung.
Verlag Technisches Museum Wien, EUR 28,80
ISBN 978-3-903242-14-2
Erhältlich im Museumsshop und unter tmw.at/shop

Ausstellung:

Im Bann der Bahn. 200 Jahre Eisenbahn

Ort: Technisches Museum Wien, Mariahilfer Straße 212, 1140 Wien
Laufzeit: 21. Oktober 2025 bis 2. August 2026
 

 

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