Abenteuer Jugend!

Autor: Text: Gernot Kronberger, Peter Uhlik Photos: Sarah Uhlik, Veranstalter 4L Trophy


Wer eine Reise tut, kann was erzählen. Sarah und Peter Uhlik können sehr viel erzählen.

Sie sind ein normales junges Paar, Anfang 20, sympathisch, weltoffen, stehen mit beiden Beinen im Leben und reisen gerne. Sarah ist Kindergartenpädagogin, Peter Fahrschullehrer aus Marchtrenk. Vor Kurzem wurde geheiratet und das junge Glück fuhr in einem Renault R4 in eine gemeinsame Zukunft. Peter Uhlik ist durch seinen Vater Werner mit dem automobilen Virus erblich vorbelastet. Werner Uhlik sammelt und restauriert seit vielen Jahren alte Renaults, ist in der Oldtimer-Szene aktiv und Mitglied im C.A.R, dem Club der Anhänger alter Renaults. So wuchs Peter zwangsläufig mit Oldtimern, speziell mit alten Renaults, auf und entwickelte bereits in ganz jungen Jahren reges Interesse. Führerschein, erstes Auto, ein alter Renault muss her! Was wäre, damals wie heute, passender, als ein Renault R4? Günstig in der Anschaffung und im Unterhalt, kultiger Fahrspaß, alltags-tauglich, gute Ersatzteilversorgung dank großer Stückzahlen und im Prinzip überschaubar zu reparieren. Der perfekte Einstieg in die Welt der Oldtimer von Renault ist geglückt!

Neben gemäßigtem Alltagsbetrieb stehen Ausfahrten und Treffen Gleichgesinnter auf dem Programm. Peter erfährt aus der Szene von einer französischen Rallye in die Wüste Marokkos, der seit 1997 gefahrenen 4L Trophy, und kann sofort sich und Sarah dafür begeistern. Mehr als 1000 Renault R4, 95% davon original von der Straße, nehmen von Biarritz aus mehr als 3.600 Kilometer nach Marrakesch unter die Räder, davon rund 500 Kilometer (4 Tage) durch die Wüste. Teilnahmebedingungen des Veranstalters „Jean Jaques“: Renault R4, maximales Alter der Teilnehmer 27 Jahre, Studenten bevorzugt und Sachspenden wie Sportartikel, Bekleidung oder Schulartikel für das Projekt „Enfants du Desert“ (Kinder der Wüste) müssen mitgeführt werden. Die Abenteuerlust von Sarah und Peter Uhlik ist geweckt, es geht quasi auf eine zweite Hochzeitsreise! Die mangelhaften Kenntnisse der französischen Sprache schrecken ebensowenig, wie die zu erwartenden Strapazen.


 

Peter lernt nach akzeptierter Nennung sehr schnell, an ein Projekt dieser Dimension professionell heranzugehen. Sein R4 GTL wird für die Wüste vorbereitet und an die Erfordernisse des Veranstalters adaptiert. Montage von Schalensitzen, H-Gurten, Unterfahr-Schutz, groben Winterreifen, sowie die Entfernung der Rückbank für das benötigte Equipment stehen genauso auf dem Programm, wie ein Motorservice und Erneuerung aller Dichtungen und Lampen. An den originalen 34 PS darf im Prinzip nichts verändert werden. Der Wertungsmodus sieht Strafpunkte an den Checkpoints für defekte Beleuchtung, Fahren ohne Sicherheitsgurt, Inanspruchnahme fremder Hilfe oder Überschreiten der Zeitfenster vor, genauso wie die Abweichung des jeweiligen Kilometerstandes von der Anzahl der zu fahrenden Kilometer. Zeitgleich betreibt Peter Uhlik Pressearbeit und begibt sich auf Sponsorensuche. Eine Pressemappe mit professionellen Fotos und Projektbeschreibung wird angefertigt, potentielle Sponsoren über freie Werbeflächen und werbliche Aktivitäten informiert.


 

Am 18. Februar 2019 ist es soweit und Equipage 966/ Peter und Sarah Uhlik starten von Marchtrenk aus zu ihrem großen Abenteuer. Über Strasbourg und einem Besuch des Automobil Museums in Mulhouse geht es in dreitägiger Fahrt zum Start nach Biarritz. Ihre folgenden Auszüge aus dem Reise-Tagebuch geben Aufschluss über die Faszination der 4L Trophy:


 

Donnerstag, 21. Februar Biarritz. Vormittag technische Abnahme und Anmeldung. Bei der technischen Abnahme wurde ein Fingernagel-großes Rostloch in der Nähe der hinteren Achsaufnahme gefunden. War aber kein Problem, wir wurden nur „vorgewarnt“ und dass ein zusätzlicher Check in der Wüste auf uns wartet. Auch unsere Ausrüstung wurde gecheckt, wir hatten dank unserer Vorbereitungen alles dabei, was benötigt wurde. Leuchtfackel, Feuerlöscher, Ersatzräder, etc.; nur ein Feuerzeug hatten wir, als Nichtraucher, vergessen. Bekamen wir aber sofort vom benachbarten Auto geschenkt. Nach dem ersten französischen Briefing ging’s dann um ca. 14.00 Uhr los nach Spanien. Auf dem Weg bis Algeciras gab es kaum noch Tankstellen ohne Trophy-Fahrzeugen und alle paar Meter wurden wir von anderen motivierten „Trophistes“ angehupt. 530 km bis Salamanca.


 

Sonntag, 24. Februar Fähre um 4.00 Uhr geplant, Abfahrt um 6.00 Uhr! 645 km bis Boulaajoul – erstes Camp – SAUKALT! Durch die zwei Stunden Verspätung kamen wir erst um 8.00 Uhr in Tanger an. Danach ging es über Mautstraßen und durch kleinere Dörfer Richtung Boulaajoul. Nachdem wir irrtümlich von der Mautstraße abgefahren sind (anstatt die Tankstelle danach anzusteuern), fuhren wir leider in der falschen Richtung wieder auf. Grundsätzlich kein Problem, da wir es nach kurzer Zeit bemerkten, doch leider war die nächste Ausfahrt über 50 km weit entfernt, daher eine Stunde Zeitverlust. Nach ca. 35 km wurden wir von der Polizei angehalten und gefragt, warum wir in die falsche Richtung fahren. Da wir uns leider mit dem französisch sprechenden Polizisten kaum verständigen konnten, glaubte er, helfen zu müssen, eskortierte uns bis zur nächsten Ausfahrt und lotste uns anschließend in die richtige Richtung. Am Abend erreichten wir das erste Camp im Sand (angrenzend an ein Dorf, also noch nicht direkt in der Wüste). Man kann sich kaum vorstellen, wie schwierig es ist, sein Auto zwischen fast 1000 anderen ähnlichen Fahrzeugen wiederzufinden!


 

Montag, 25. Februar 303 km bis Merzouga – erstes Mal Wüste! Die erste Tageshälfte ging durch Dörfer und atemberaubende Landschaften. Täler voller Palmen, ein riesiger Salzsee (Dayet Srji), Ziz Canyon, … nachmittags bogen wir bei einem Checkpoint in die Wüste ab. Natürlich hielten wir sofort an, passten den Reifendruck an und dann ging es so richtig los – Schotterpisten, Offroad-Tracks und Sandlöcher. Als wir im Camp ankamen, konnten wir sofort unsere mitgebrachten Sachspenden abgeben, da es am Abend eine symbolische Übergabe des Vereins „Enfants du Désert“ an marokkanische Kinder gab. Laut dem Veranstalter können mit den Sachspenden jährlich rund 20.000 Kinder beschenkt werden. Zusätzlich zu den Unmengen an Hilfsgütern wurde auch noch eine riesige Summe an Spenden erreicht, mit den Geldspenden der Vorjahre konnten bereits 22 Schulen errichtet werden.


 

Dienstag, 26. Februar 92 km Wüstentour, der erste Tag vollständig in der Wüste. Wir wurden vorgewarnt, dass die angegebenen Kilometer im Roadbook wenig klingen, aber nicht zu unterschätzen wären, deshalb sind wir ohne großartige Pausen oder Fotostopps durchgefahren. Das Ergebnis: Wir waren bereits um 13.00 Uhr wieder zurück im Camp. Die Zeit nutzen wir, um ein wenig über die angrenzenden Sanddünen zu spazieren, Dromedare zu streicheln und etwas mit den Einheimischen auf Deutsch (!) zu plaudern.


 

Mittwoch, 27. Februar 109 km Wüstentour. Den zweiten Wüstentag bestritten wir mit unseren neuen deutschen Freunden, dem R4 Team Westfalen. Diese Tour war ein wenig länger, definitiv anspruchsvoller und deshalb auch wesentlich spannender. An diesem Vormittag blieben wir das erste Mal unabsichtlich stehen, als wir uns in einem Sandloch festgefahren haben. Also aussteigen, ein wenig graben, Sandboards unter die beiden Vorderräder und anschieben! Diese Prozedur wiederholte sich an diesem Tag bei anderen Fahrzeugen noch öfter. Leider hatte eines der drei deutschen Autos Probleme mit der Motorkühlung, weshalb wir bis Mittag immer wieder kurze Pausen einlegen mussten. Das Problem konnte letztendlich gefunden werden und die zweite Tageshälfte war gerettet.


 

Donnerstag, 28. Februar 174 km Richtung Marrakesch, Nacht in eigenem „Wildcamp“ irgendwo vor Tazzarine. Die sogenannte Marathon-Etappe bestritten wir gemeinsam mit dem zweiten österreichischen Team und zwei der drei deutschen Teams. Das dritte deutsche Auto konnte leider aufgrund einer defekten Hinterachse nicht mehr off-road weiterfahren und musste die Straße nach Tazzarine nehmen. Auch auf dieser, der härtesten Off-Road-Etappe hatten wir mit unserem Auto kein einziges Hoppala. Natürlich bekamen wir ein paar Steinchen ab und unser Unterboden sieht spätestens seit dieser Tour nicht mehr aus wie neu, aber sogar unsere Reifen hielten die scharfkantigen Steine aus. Auch unser Auspuff blieb ganz. Das Endrohr ist nur teilweise etwas flachgedrückt, aber wir haben ihn nicht, wie zwei der beiden anderen deutschsprachigen Teams, verloren.


 

Auf dieser Strecke gab es ein riesiges Sandloch, in dem eigentlich jedes Auto steckenblieb. Deshalb staute es auch dementsprechend. Nach einer knappen Stunde wurde von den Organisatoren das Sandloch gesperrt und eine Ausweichroute vorgegeben. Aufgrund dieses Zeitverlustes schafften wir es nicht mehr ganz so weit, wie eigentlich geplant. Kurz vor Einbruch der Dunkelheit hielten wir an und bildeten unser eigenes Camp mit Feuerstelle, die Autos stellten wir im Kreis rundherum. Wir beschlossen, diese Nacht nicht mehr im Zelt, sondern quasi sitzend im Auto zu verbringen. Abendessen: acht Personen löffelten Pasta aus einer Hundeschüssel und tranken Sangria aus geköpften Plastikflaschen (Becherersatz).


 

Freitag, 1. März letzter Wüstentrack bis Tazzarine, danach über Straßen nach Marrakesch, gesamt 438 km. Um 7.00 Uhr waren wir startklar, doch die Strecke war gesperrt, weil es noch nicht hell genug war. Knapp 30 Minuten Wartezeit! Danach ging’s weiter Richtung Tazzarine – dem letzten Wüsten-Checkpoint. Von dort an ging es on-road weiter durch das Atlasgebirge (unbeschreiblicher Ausblick!) bis zum Zielpunkt – Marrakesch! Ankunft um 20.30 Uhr in Marrakesch – Hotel mit WC & DUSCHE, endlich!


 

Samstag, 2. März KEINE Autofahrt, etwas ausschlafen, tagsüber Marrakesch erkunden – Hauptplatz mit Schlangen, Affen und „Zahnverkäufern“, Souk (Markt) mit Seidentüchern, Naturheilmitteln, Obst und Gemüse und jeder Menge Tajines (nordafrikanische Kasserolle), abends Abschlussparty mit Preisverleihung, marokkanischer Pferde-Show, marokkanischem Dinner und Partymusik von DJ Morgan Nagoya.

Die Heimreise über Barcelona, Cannes, Nizza, Monaco und Udine hatte dann im Vergleich zu den Strapazen der Wüsten-Tour beinahe „Sightseeing-Charakter“. Bilanz des Abenteuers von Sarah und Peter Uhlik: Insgesamt 8.429 zurückgelegte Kilometer in drei Wochen, ca. 130 Stunden Fahrzeit, davon ca. 72 Stunden bei der 4L Trophy. Platz 89 in der Gesamtwertung von 1.067 gewerteten Teams, drittbestes NICHT französisches Team! Bis auf den Tausch einer Scheinwerfer-Lampe gab es keinen einzigen Defekt am Renault R4 zu beklagen. Unzählige Eindrücke und einzigartige Erlebnisse, viele neue Begegnungen und Freundschaften!


 

All jene, die behaupten, es gebe in der Oldtimerei keinen Nachwuchs und keine jungen Menschen, die für alte Fahrzeuge zu begeistern sind, sollten hiermit eines Besseren belehrt sein. Zudem zeichnet Sarah und Peter Uhlik eine Abenteuerlust aus, die nur wenige von uns in sich tragen. Im Rahmen der Oldtimer-Messe Tulln 2019 stellten sie ihren Renault R4, so wie er aus der Wüste kam, am Stand des C.A.R aus und berichteten dem staunenden Publikum bereitwillig von ihren Erlebnissen und Eindrücken. Mit Anfang 20 haben sich die beiden bereits einen Traum erfüllt, um den sie viele beneiden.


 


 

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